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Beliebtheitswettbewerbe

Sie sind ja zur Zeit sehr in Mode, diese Beliebtheitswettbewerbe. Superstars, Supertalente, Supernudeln Topmodels, Superschauspieler, Supermagier und was weiß ich noch alles. Die Sendungen schießen wie Pilze aus dem TV-Boden und sie kommen offenbar unheimlich gut an beim Publikum. Ich vermute, es ist die Interaktivität dieser Sendungen, die sie so beliebt machen. Der Zuschauer ist dabei nicht mehr nur Zuschauer, sondern auch Schiedsrichter. Michel darf mitbestimmen, wer gewinnt.  Er wird nach seiner Meinung gefragt, darf  per Anruf wählen wer gewinnen soll – oder zumindest glaubt er das. Der ansonsten fast völlig entmündigte Bürger hat hier endlich mal die Chance wenigstens das Gefühl zu haben, es liege an ihm und an seiner Stimme zu entscheiden, wer gewinnt. Ist es nicht toll Macht zu haben, etwas zu sagen zu haben, mitbestimmen zu dürfen. Selbst bei den Sendungen in denen nur eine Jury den Sieger bestimmt, kann Michel sich einbringen:
Ist sein Urteil richtig, tut das dem Selbstwertgefühl unglaublich gut.
Ist das eigene Urteil falsch, kann man sich stundenlang über die Dummheit und Inkompetenz der Jury auslassen. Man selber würde es sicher wesentlich besser machen.

Rufen wir uns jetzt mal die Hauptaufgaben der Medien kurz wieder in Erinnerung:
1. Das Prinzip der Ruhigstellung des Volkes durch „Brot und Spiele“ zu gewährleisten, in dem sie den Faktor Spiele abdecken.
2. Das Aktivieren unserer indoktrinierten Programme durch Drücken der entsprechenden Knöpfe.

Was hier in den ganzen Super-Sendungen stattfindet, ist nichts anderes als ein Trainingsprogramm für den entmündigten Bürger, der in den letzten Jahren immer mehr beschlossen hat sich auch entsprechend zu verhalten und seine Stimme nicht mehr abzugeben, wenn er dazu aufgefordert wird. Wir werden für die richtig wichtigen Beliebtheitswettbewerbe trainiert, die dieses Jahr wieder auf uns zukommen. Der erste gleich am Samstag: der „Eurovision Clown Contest“. Zwar nicht durch Anrufen einer teuren Telefonnummer sondern durch Malen eines Kreuzchens auf einen Stimmzettel. Bleibt nur zu hoffen, daß Michel mittlerweile durch unzählige Wahlen per Anruf (wer kommt weiter in die nächste Sendung? Wer muß zur Dschungel-Prüfung? Wer fliegt raus und muß das Haus verlassen?) endlich kapiert hat, daß es auf seine Stimme ankommt. Er kann wirklich etwas entscheiden, hat wirklich etwas zu sagen, kann mitbestimmen. Wenn er das nur endlich, endlich begriffen hätte.

Im September dann der nächste richtig wichtige Beliebtheitswettbewerb: „Deutschland sucht die Supermelker“. Da dürfen und sollen wir dann selbst bestimmen, wer uns die nächsten vier Jahre kontrollieren, gängeln, bevormunden, bedrohen und bestehlen darf. Auch hier, bitte nicht vergessen: Deine Stimme zählt wirklich, du hast etwas zu sagen. Du darfst selber entscheiden zwischen Teufel, Satan und Beelzebub. Auch dafür wurdest du die letzten Jahre ununterbrochen trainiert in interaktiven TV-Spielen.

Unser TV hat alles getan, um die in der Schulzeit eingepflanzten Knöpfe zu drücken und die entsprechenden Programme zu starten. Falls irgendwer jetzt immer noch Zweifel hat, bitte mit mir gemeinsam repetieren:
. Die Demokratie ist die einzige legitime, gute und menschliche Regierungsform.
. Wir müssen froh sein, in einer Demokratie zu leben, in der alle Macht von uns, dem Volke ausgeht.
. Wer nicht wählt, vertut seine Chance, mitzubestimmen, wie es mit uns, unserem Leben und unseren Mitmenschen weitergeht.
. Wer nicht wählt, gibt seine Stimme automatisch denen, die er am wenigsten wählen würde (denn wer nicht für mich ist, ist gegen mich. Und wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut)
. Als mündiger Bürger ist man verpflichtet ein Kreuzchen auf einem Zettel zu zeichnen, durch das man beweist, daß man in der Lage ist bei klarem Bewußtsein Kreuzchen zu zeichnen.
Das dahinter stehende Prinzip erklärt am Besten der „architect“ in Matrix reloaded:

As I was saying, she stumbled upon a solution whereby nearly 99.9% of all test subjects accepted the program, as long as they were given a choice, even if they were only aware of the choice at a near unconscious level.

Da es schon etwas länger her ist, möchte ich noch mal mein persönliches politisches Lieblingszitat hier anbringen, nur für den Fall, daß der eine oder andere es schon vergessen haben sollte. Es schildert so schön die Einstellung unserer Politiker.
Franz Müntefering (SPD): „Wir werden als Koalition an dem gemessen, was in Wahlkämpfen gesagt worden ist. Das ist unfair!“ Schließlich habe es zwischendurch die Bundestagswahl gegeben …
Ist es nicht goldig? Aber auch ohne diese herzallerliebste Einstellung gibt es vieles was man bedenken sollte, bevor man seine Stimme abgibt. Was tun wir eigentlich wirklich wenn wir wählen?

Wir bestimmen jemanden, der für uns sprechen soll.
Wir bestimmen jemanden, der in unserem Namen Entscheidungen treffen soll: über uns selbst sowie über unsere Mitmenschen, Nachbarn, Kollegen, Freunde und Feinde. Entscheidungen darüber
1. wieviel Geld uns und unseren Mitmenschen zukünftig gestohlen werden soll.
2. was mit dem von uns gestohlenen Geld passieren soll und wofür es verwendet wird.
3. welchen Menschen mehr und welchen Menschen weniger Geld gestohlen werden soll.
4. welche Menschen mehr und welche weniger des gestohlenen Geldes erhalten sollen.
5. Wann, wie und wofür sie das erhaltene Geld einsetzen sollen.
6. Wieviel des von uns gestohlenen Geldes uns in welcher Form zurückgegeben werden soll.
7. was wir tun, sagen, schreiben, denken und glauben sollen.
8. was wir nicht tun, sagen, schreiben, denken und glauben dürfen.
9. wie wir mit unserem Leben, unserer Gesundheit, unserer Freiheit und unserem Eigentum umzugehen haben.
10. wann und in welchem Maße wir von wem überwacht und kontrolliert werden sollen.

Viele können sich sicher noch erinnern wie es in der Kindheit und Jugendzeit war, als man sich nichts sehnlicher wünschte als endlich erwachsen zu werden, um nicht mehr bevormundet zu werden und seine Entscheidungen selber treffen zu können. „Tu dies nicht“, „tu das nicht“, „wie sagt man da?“, „zieh dir Socken an, du erkältest dich“, „komm sofort da runter, du fällst sonst“, „jetzt ab ins Bett und keine Widerrede“, „spätestens um 22:00 bist du zu Hause“, „die Typen sind kein Umgang für dich“, „sei nicht so frech“, „gegessen wird, was auf den Tisch kommt“, „solange du deine Füße unter meinen Tisch…“, etc.
Dann irgendwann: endlich erwachsen, jetzt kann ich selber entscheiden. Keine Zwänge, keine Bevormundung mehr, essen, wenn man Hunger hat; schlafen, wenn man müde ist; anziehen, was man möchte; selber entscheiden, ob man friert oder nicht, wohin man geht, wann man kommt, mit wem man Umgang pflegt.
Aber leider haben sich die Meisten inzwischen so daran gewöhnt bevormundet und gegängelt zu werden, daß sie die Selbstständigkeit und Eigenverantwortung völlig verlernt haben. Sicher, es macht Spaß selber über sich zu entscheiden. Aber dann auch die Konsequenzen dafür selber zu tragen? Das ist dann doch etwas völlig anderes. Und selbst wenn man durchaus verantwortungsbewußt ist und selber für sich entscheiden kann – da sind ja noch die Anderen. Und die können es sicher nicht. Das ist das Hauptdilemma an der ganzen, verfahrenen Situation: Jeder meint, durchaus für sich selber entscheiden zu können, gesteht diese Fähigkeit und dieses Recht aber den Anderen nicht zu. Die Anderen die brauchen jemanden, der ihnen zeigt wo ihre Grenzen sind. Die Anderen müssen von jemandem regiert werden. Die sind zu dumm zu wissen, was gut für sie ist. Ich wüßte es ja, aber auf mich hören sie ja nicht. Also wähle ich jemanden, der Macht hat und diese – falls nötig – auch mit Gewalt durchsetzen kann, der den Anderen sagt, was sie tun und lassen sollen. Dabei übersehen wir leider oft, daß diese(r) Machthaber nicht nur für und über die Anderen, sondern auch für und über uns entscheiden wird, und auch gegen uns seine Entscheidungen – falls nötig – mit Gewalt durchsetzen wird.
Wenn wir nur ein wenig wirklich objektiv nachdenken: gibt es wirklich irgend jemanden außer uns selbst, der UNSERE Interessen vertritt? Spielen wir doch mal zwei Beispiele in Gedanken durch:

Wir fahren mit dem Auto auf der Autobahn Richtung Süden. Irgendwo unterwegs steht ein Tramp an der Straße, der gerne mitgenommen werden will. Weil wir nett sind, nehmen wir ihn mit. Nachdem wir feststellen, daß unser Tramp auch nach Süden will, sollten wir ihm gleich die Schlüssen übergeben, ihn fahren lassen und es uns hinten auf dem Rücksitz bequem machen. Wir haben schließlich beide das selbe Ziel, oder? Süden halt. Also vertrauen wir doch darauf, daß unser Tramp uns mit Sicherheit zu unserem eigenen Ziel fahren wird, um dann auszusteigen und eine andere Mitfahrgelegenheit zu seinem Ziel zu suchen. Ist doch logisch, oder?

Wir müssen noch einige Einkäufe tätigen und eilen durch die Fußgängerzone. Ein Bettler am Straßenrand erscheint uns recht sympathisch. Wieso geben wir ihm nicht einfach 50 €, sagen ihm kurz, was wir brauchen oder geben ihm unseren Einkaufszettel mit, setzen uns dann ins Straßencafe, genießen einen Kaffee und warten, bis unser Bettler mit den Einkäufen wiederkommt? Mit Sicherheit wird er uns auch noch unser Restgeld fein säuberlich auszahlen und sich anschließend tierisch freuen, wenn wir ihm 1 € in seine Mütze werfen.

Wenn uns bei diesen Beispielen nun zum Lachen zu Mute ist, wieso um Alles in der Welt vertrauen wir denn dann darauf, daß irgendein wildfremder Mensch, nur weil er Politiker ist, UNSERE Interessen vertreten wird? Ist dieses Vertrauen durch irgend etwas gerechtfertigter als das in den Tramp oder den Bettler? Durch seine Kleidung, seine Frisur, sein Lächeln oder wodurch?

Hier nun noch ein nettes Video von Stef Molyneux zum Thema Wahlen, in dem er die Sache aus seiner Sicht herrlich auf den Punkt bringt. Viel Spaß damit.

Übrigens Nicht-Wählen ist keine Lösung. An einer geringen Wahlbeteiligung ist aus Prinzip das Wetter schuld. Egal, ob es zu schön oder zu schlecht ist. Nein Leute, macht bitte euer Kreuzchen, aber macht es richtig:
Entweder ganz groß über den ganzen Wahlzettel, oder aber viele kleine Kreuzchen, in jeden der schönen Kreise eines. Damit zeigt ihr erst richtig, wie gut ihr bei klarem Bewußtsein Kreuzchen zeichnen könnt. Vor Allem zeigt es, daß es nicht mangelndes Interesse oder das Wetter ist, sondern eine bewußte Entscheidung. Einer alternativen Ausschmückung des Ganzen mittels netter Textchen, Blümchen, Bienchen und Sonstigem steht nichts im Wege. Laßt eurer Kreativität freien Lauf.