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Und willst du nicht mein Bruder sein, ….

…dann schlag ich dir den Schädel ein.
Dieses Motto des Kommunismus erobert jetzt auch unsere viel-gerühmte Demokratie. Zwar mit anderem Wortlaut, aber dem selben Sinn: „Demokratie ohne Demokraten funktioniert nicht“. Na, so was. Und wenn nun einmal das Wählen angeblich und nach offiziellem Glauben eine Demokratie ausmacht, und die Leute nicht wählen wollen, dann muß man sie eben zwingen. Also, immer her mit der Wahlpflicht. Ein weiteres, wunderbares Oxymoron. Die Pflicht, etwa zu wählen – der Zwang, ein Recht in Anspruch zu nehmen. Eine weitere äußerst seltsame Blüte der Schein-Demokratie. Aber passend zu dem Dreifach-Oxymoron „sozialer Rechts-Staat“.
Als eigentlicher Fan von Oxymora liebte ich schon als Kind das weit bekannte Gedicht(dessen etwas aufwändigere Version ich jetzt unbedingt mal los werden möchte):

Dunkel war’s, der Mond schien helle,
schneebedeckt die grüne Flur,
lautlos brüllte die Natur,
als ein Wagen blitzeschnelle
langsam um die runde Ecke fuhr.
Drinnen saßen stehend Leute,
schweigend ins Gespräch vertieft,
als ein totgeschossener Hase
auf der Sandbank Schlittschuh lief.
Und der Wagen fuhr im Trabe,
rückwärts einen Berg hinauf.
Droben zog ein alter Rabe,
gerade eine Turmuhr auf.
Ringsherum herrscht tiefes Schweigen
und mit fürchterlichem Krach
spielen in des Grases Zweigen
zwei Kamele lautlos Schach.
Und auf einer roten Bank,
die blau angestrichen war,
saß ein blondgelockter Knabe
mit kohlrabenschwarzem Haar.
Neben ihm ’ne alte Schachtel,
zählte kaum erst sechzehn Jahr,
kaute eine Buttersemmel,
die mit Schmalz bestrichen war.
Droben auf dem Apfelbaume,
der sehr süße Birnen trug,
hing des Frühlings letzte Pflaume,
und an Nüssen noch genug.
Von der regennassen Strasse
wirbelte der Staub empor.
Und ein Junge bei der Hitze
mächtig an den Ohren fror.
Beide Hände in den Taschen.
hielt er sich die Augen zu.
Denn er konnte nicht ertragen,
wie nach Veilchen roch die Kuh.
Dieses dichtete der Goethe
als er eines Morgens späte
schlafend auf dem Nachttopf saß
und den Münchner Merkur las.

Als er laut denkend herausfand,
wie er seiner Wahlpflicht gar
im sozialen Rechtsstaat Deutschland
nachkommen konnte. Und zwar
durch das Ankreuzen mit roten
Blümchen in hellblauer Schrift
deren Tinte – trotz Verboten –
grün herausschießt aus dem Stift.

Danke, Herr Thießen, für die Inspiration der Fortführung dieses wunderbaren Gedichtes.

Schalten wir doch mal kurz wieder unser Gehirn ein und überlegen, wie sich eine Wahlpflicht durchsetze ließe. Die Antwort ist eigentlich klar: Gar nicht. Alles was sich durchsetzen ließe, wäre eine Pflicht, sich in eine Anwesenheits-Liste bei den Wahllokalen einzutragen. Soll die Wahl weiter geheim und frei bleiben, wird nichts und niemand kontrollieren können, ob jemand wirklich ein Kreuzchen auf den Zettel macht, oder gar mehrere Kreuzchen, oder ein paar schöne Bildchen malt.
Nein, nicht einmal eine Pflicht, sich in eine Anwesenheits-Liste bei den Wahllokalen einzutragen könnte man durchsetzen, denn es gibt ja noch Krankheiten, oder Ortsabwesenheiten aus wichtigem Grund, die den Gang zur Urne verhindern können. Klar, dafür gibt es die Möglichkeit der Briefwahl. Aber kann man vorher ahnen, daß man just am Wahltag von schrecklicher Übelkeit und Magenkrämpfen gebeutelt wird? Konsequenterweise müßte man dann noch eine Möglichkeit der Briefwahl NACH der Wahl einführen. Und wie lange setzen wir die Frist dafür? Könnte ja jemand gerade für längere Zeit verreist sein. Ach so, wir leben ja in einer Demokratie, also liegt die Lösung ganz nahe: Verbote von Reisen jeglicher Art, Ortsabwesenheit und auch von Krankheiten am Wahltag. Die angestrebte Wahlpflicht hat über jedem individuellen und persönlichen Recht des Einzelnen zu stehen. Und auch über jeder höheren Gewalt. Schließlich heißt es nicht umsonst: „Ich bin die Demokratie, dein Gott. Du sollst keine anderen Rechte haben neben mir.“

Übrigens, Herr Thießen: als braver und gut dressierter Bürger bin ich meiner (noch nicht vorhandenen) Wahlpflicht bisher immer nachgekommen. Will heißen, ich habe schon immer etwas auf die schönen Zettel, die mir zugeschickt wurden, gezeichnet. Mal einfarbig, mal bunt – mal mehr und mal weniger kreativ, immer ganz nach Lust und Laune am jeweiligen Tag. Werde ich auch weiterhin so handhaben.
Das Lustige dabei ist, daß ich mich dabei in einer Art Niemandsland bewege. Jemand, der seinen Wahlzettel ungültig macht, wird bei der Wahlbeteiligung als Beteiligter gezählt, trotzdem wird seine Stimme nicht mitgezählt. Warum soll ich meine Stimme denn auch abgeben? Ich brauche sie noch und ich benutze sie selber.
Vor diesem Hintergrund noch eine kleine Anmerkung: Die katastrophale Wahlbeteiligung von nur 43,3 % ist noch ein kleines bißchen kleiner. Bei diesen 43,3% sind nämlich 2,2 % ungültige Stimmen dabei, also ist die effektive Wahlbeteiligung gerade mal 41,1%. An dieser Stelle herzlichen Dank an eifrei, die auch die ungültigen Stimmen aufgelistet haben.

Leute, behaltet eure Stimmen, ihr braucht sie vielleicht auch noch mal. Wer seine Stimme abgibt, braucht sich nicht wundern, daß er anschließend nichts mehr zu sagen hat. Hach, ich liebe Wortspiele – fast so sehr wie Oxymora.